"Wie ist das überhaupt so, im Rollstuhl zu sitzen?"
Das hast du dich vielleicht auch schon gefragt. Vielleicht bereits in der Zeit, als das Thema noch nicht in deinem Leben stand. Aber hast du mal jemanden gefragt, der es wissen sollte oder hast du dir im Kopf darauf eine Antwort zusammengestellt? Du hast mal jemanden gefragt? Super! Das ist Inklusion bzw unvoreingenommenes Verhalten. Danke dir dafür! Vielleicht kam die Frage aber auch jetzt erst auf, als das Thema präsent wurde!?
Wie auch immer, es ist eine berechtigte Frage. Und nun wollen wir schauen, ob wir sie ein Stück weit beantworten können:
"Wie ist das überhaupt so, im Rollstuhl zu sitzen?" Eine Frage, die mir mal aus heiterem Himmel völlig aus dem Kontext gerissen gestellt wurde. Ich war erst einmal überfordert, gebe ich zu. Trotz +10 Jahren Rollstuhlerfahrung. Nach kurzer Bedenkzeit antwortete ich dem Fragenden. Nun kannte er MEINE Sichtweise auf die Dinge. Aber was ist, wenn ich mit meiner Meinung alleine dastehe und andere Rollstuhlfahrer es komplett anders einschätzen?
So gab ich die Frage weiter an Social Media und bekam einige Antworten. Diese Antworten möchte ich nun hier vorstellen:
Viele Außenstehende denken nun sicher, dass sie sich die Antwort auf diese Frage bereits denken können.
Vermutlich so etwas wie: "Rollstuhl ist total doof!" oder "Ich hasse meinen Rollstuhl!"
Oder etwas in der Richtung. Jetzt sieht die reale Antwortwelt jedoch komplett anders aus. Diese Antworten auf die Frage kamen von garantiert echten Rollstuhlnutzern:
🗨️ "Eigentlich ist es gar nicht so schlimm, da ich Orte erreiche, die ich ohne Rollstuhl nicht erreichen würde."
🗨️ "Ich fühle mich großartig darin, weil ich mich damit endlich wieder ohne Anstrengung fortbewegen kann."
🗨️ "Eine echt schwierige Frage, Zum Teil gut, weil es Mobilität bedeutet und zum Teil schlecht, weil die Infrastruktur uns oft in der wiedergewonnenen Freiheit einschränkt."
🗨️ "Muss zugeben, mir fallen spontan auch nur positive Dinge ein. Man ist mobiler, eigenständiger."
🗨️ "Man lernt die Welt aus einer neuen Perspektive kennen, und nein, das ist nicht negativ gemeint, im Gegenteil.'
🗨️ "Menschen, die im Rollstuhl sitzen, könnten ohne diesen nur im Bett liegen. Von daher: gar nicht so schlimm passt ganz gut weil ohne wär's schlimmer."
👉 Was soll das jetzt eigentlich? Für dich bricht vielleicht gerade eine Welt zusammen weil du dich neu mit dem Thema Rollstuhl beschäftigst und hier schreiben alle, wie ach so toll das doch ist mit einem Rollstuhl unterwegs zu sein. Ja spinnen die denn? Denkst du nun vielleicht. Nein, tun wir nicht.
Sei bitte vorbereitet: Die Anfangszeit ist hart. Für alle. Ohne Ausnahme. Da geht bzw rollt jeder durch.
Nur wird irgendwann der Moment kommen, in dem auch du spürst, dass der Rolli ein Hilfsmittel für dich ist:
♿💡 Der Rollstuhl hilft dir am Leben teilzunehmen, er hilft dir an Orte zu kommen, er hilft dir aus dem Haus zu kommen,er hilft dir was zu unternehmen und er hilft dir im Alltag. Er gibt Lebensqualität zurück!
Auch wenn du momentan noch nicht soweit bist, der Tag wird kommen an dem du es das erste Mal spürst.
Und ab da sieht die Welt ganz anders aus, als wie es momentan den Anschein hat.
Wie gesagt: Die Anfangszeit kann echt hart sein. Doch dann wird es bedeutend leichter werden! Psychisch wie auch psychisch. Versprochen!
Habe Keine Angst vor dem Rollstuhl!
Klar, die Überschrift ist lockerer dahin geschrieben, als wie die Realität aussieht, wenn auf einmal ein Rollstuhl in das eigene Leben oder in das Leben eines Nahestehenden treten soll.
Denn es ist ja nicht nur das neue Hilfsmittel: Hinzu kommt ja noch eine spontan eingetretene oder schleichend gekommene Erkrankung bzw Einschränkung.Diese ist verbunden mit einer Umstellung von lieb gewonnenen Gewohnheiten und Lebensumständen.
Doch was kann bitte jetzt der so oft verfluchte und zum Teufel gewünschte Rollstuhl dafür?
Kurz nachgedacht uuuund: Ja genau. Er kann rein gar nichts dafür. Für die anderen Umstände ist es teilweise leichter einen Schuldigen zu finden.
Vor Allem, wenn es ein nicht selbst verschuldeter Unfall war, der das Leben durcheinander wirbelte. Dies ist jedoch ein anderes Thema.
Wenn Du dir deinen Rollstuhl zum Freund machst, ist das mehr als die halbe Miete!
Danken wir doch kurz in Gedanken dem Erfinder des Rollstuhls: Stephan Farfler.
(Erfunden hat er den Rollstuhl übrigens im Jahr 1655.)
Stephan, Du warst ein Held! Deine Erfindung hilft Menschen die Probleme mit dem Laufen haben beim Erreichen von entfernten Orten, hat deren Lebensqualität verbessert und gibt Eigenständigkeit zurück.
Werfen wir doch einmal einen Blick in Länder auf diesem Planeten, in denen es keine Hilfsmittel gibt oder wo sich Menschen diese schlichtweg nicht leisten können.
Wie ist dort die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen? Oft fristen diese Menschen ein Leben in Abgeschiedenheit, Einsamkeit und eine Teilhabe am „Leben“ ist oft nicht möglich.
Jetzt hat der Rollstuhl trotz seiner Lebensqualität verbessernden Eigenschaften trotzdem einen echt schlechten Ruf in der Gesellschaft.
Frage einmal eine handvoll nichtbehinderte Menschen, was sie machen würden, wenn sie auf einen Rollstuhl angewiesen sein würden.
Nicht selten kommt die Antwort „dann würde ich mich lieber umbringen!“ Hui...
Im Rollstuhl zu sitzen reicht ja vielen für den Sprachgebrauch auch nicht aus. Da muss die betreffende Person schon an den Rollstuhl gefesselt sein.
Es gibt oft diese Experimente: „1 Tag im Rollstuhl – Meine Erfahrungen!“
Auch ganz oft Humbug. Erstens ist der Anfang immer schwer und man muss sich langsam an Herausforderungen herantasten. An diesen Rollstuhltagen gibt es dann das volle Programm:
Kopfsteinpflaster, Bus & Bahn fahren, Orte mit Treppen werden aufgesucht, eine Bergbesteigung steht auf dem Programm und das alles am Besten noch in einem Rollstuhlmodell,
welches absolut nicht angepasst ist oder mehr für die Krankenhausnotaufnahme denn für den Einsatz draußen taugt.
Und mit diesen Bildern im Kopf fällt es nun eben deutlich leichter zu sagen:
„Rollstuhl? ICH??? Auf keinen Fall!!!“
Menschen bleiben vielleicht eher zu Hause und gehen nicht mehr vor die Tür weil längere Wege für sie nicht mehr machbar sind, als dem Hilfsmittel Rollstuhl eine Chance zu geben.
Die negative Behaftung ist zu sehr im Kopf verankert.
Nur, kann es das sein? Eher nicht!
Viele Menschen mit Rollstuhl siehst du sofort an, wie sie über Hilfsmittel denken. Eine Person, die ihr Hilfsmittel als Freund ansieht ist mit ihm innerlich verwachsen.
Der Rollstuhl definiert nicht die Person.
Lediglich die Art und Weise, wie sie von A nach B kommt.
„Logo, das wird schon gehen“ ist oft die Einstellung zu Ausflügen in ungewohnte Gebiete. Wo ein Wille ist, ist auch (meistens) ein Weg!
Wenn DU gerade an dem Punkt stehst an dem du dich mit dem Thema der neuen Fortbewegung auseinandersetzt findest du diesen Text vielleicht beim ersten Lesen auch als utopisch und kannst das Geschriebene nicht nachvollziehen. Dann bitte ich dich:
Nimm dir bisschen Zeit und lese die Zeilen noch einmal durch. Gib den Wörtern eine Chance und vielleicht denkst du (ein bisschen) um. Das wäre super und würde mich sehr freuen!